Wege des Glaubens

Jeder gläubige Mensch hat seine eigene, ganz persönliche Geschichte, wie er zum Glauben gelangt ist. Zwar wird jeder in ein kulturelles Umfeld hineingeboren; und die Eltern bringen ihn in ihre eigene Kirche hinein. In den meisten christlichen Kirchen werden die Kinder in den ersten Tagen ihres Lebens  getauft, noch bevor sie sich entscheiden und zustimmen können. Eher versprechen hier die Eltern, das Kind in ihrem Glauben zu erziehen und ihm mit Hilfe ihrer Kirche die Werte ihres Glaubens zu vermitteln.
Jeder, der bei sich selbst einmal erforscht, wann und wodurch eigentlich der Glaube bei ihm begonnen hat, wird sich kaum auf Rituale berufen. Jeder hat seine eigenen Anrührungen, sei es durch eine besondere Freude oder durch einen tiefen Schmerz, alles ist möglich. Aber im Erinnern wissen wir, wann es begonnen hat und das zarte Pflänzchen des Glaubens bei uns zu sprießen begann. Es gibt ein ganz einfaches Symptom für erwachenden Glauben: Was lebt, hat Hunger und muss essen. Hier geht es jetzt um geistliche Nahrung, die wir prüfen und immer wieder neu wählen und umsetzen müssen. Die Seele beginnt erwachsen zu werden.
Eine geheimnisvolle innere Sehnsucht nach Gott scheint jedem Menschen bei der Geburt mitgegeben zu sein. Erst wenn die kleine innere Stimme ihn beunruhigt und er anfängt zu suchen, beginnt der Prozess der eigentlichen Menschwerdung.
In den Kulturen aller Völker finden wir magische Handlungen, welche Erleuchtungen ersetzen sollen.  Ein Glaube kann durch Rituale nicht erzeugt, sondern nur befestigt werden.
Es ist nun mal unmöglich, glauben zu lernen. Die Anrührungen kommen von Gott direkt (siehe Hiob 33); der Mensch ist frei, sie zu beantworten oder zu verschlafen. Einer meiner Lehrer sagte einmal: „Im Himmel gibt es nur Freiwillige“.
Schauen wir uns doch einmal den ganzen Gottesplan mit der Menschheit an, der in seiner Großartigkeit wirklich atemberaubend ist. Vollendetes lässt sich nun mal nicht verbessern. Da entsteht zunächst einmal die Schöpfung, ein Kosmos von unvorstellbarer Größe. Planeten wie unsere Erde, die Wiege und Nest für höhere Lebensformen werden können, gibt es zu Millionen. Es dauert jedoch lange, bis alle Bedingungen für Leben erfüllt sind, so wie wir es kennen. Atmosphäre, Wasser, Pflanzen, Tiere – und endlich Menschen.
Nun beginnt der Schöpfer, einzelne Menschen durch seine Stimme zu erreichen. Nehmen wir mal Noah, der den Befehl von Gott erhielt – und auch fest daran glaubte – auf dem Trockenen ein großes Schiff zu bauen. Die Reaktion der Leute um ihn herum kann man sich leicht vorstellen. Sie hielten sich den Bauch vor lachen. Noah blieb unbeirrt und führte den Gottesbefehl aus. Nun kamen nach ihm immer mehr einzelne Menschen, die Gottes Stimme hörten und auch befolgten. Die Propheten! Sie wurden in der Regel verfolgt oder sogar getötet. Die Richtigkeit ihrer Vorhersagen bestätigte sich oft erst lange nach ihrem Tode. So wurden ihre Schriften zu einem erstzunehmenden Gottesbeweis.
Und dann erwählte sich Gott ein Volk zum Modell für ein Leben unter seiner Führung. Er tat für sie Wunder über Wunder. Aber nur wenige unter ihnen fanden dadurch endlich zum Glauben. Da haben die einzelnen Menschen, die im Laufe der Menschheitsgeschichte Gottes Führung angenommen hatten, besser abgeschnitten. Wer einmal die Wüstenwanderung der Kinder Israels über 40 Jahre in der Bibel gelesen hat, kann sich gut hineinversetzen in Gottes unendliche Geduld und menschliche Unbelehrbarkeit. Nicht jeder der wenigen Auserwählten gehorchte ohne Widerspruch wie Noah und Abraham. Jona rannte erst einmal weg; Gideon verlangte zwei Bestätigungen; Ahas weigerte sich, ein Zeichen zu fordern; Moses hielt sich für ungeeignet. Wohl keiner von ihnen ahnte, dass er als Schulbeispiel in die Bibel eingehen und so Jahrtausende durchwandern würde.

Aber der große Plan geht weiter. Nun sendet uns Gott den Christus als ultimativen Weltlehrer. Nach der eigenen Aussage von Jesus (Johannes 6, 38) ist er eine direkte Inkarnation aus den Himmlischen Welten, (die er selbst stets im Plural nennt) im Unterschied zu Menschen, die als Propheten durch Gottes Stimme inspiriert wurden. Am Ende erlitt er jedoch dasselbe Schicksal wie sie durch Verfolgung und Märtyrertod. Auch hier hat es sich wieder gezeigt: Höchstes göttliches Wissen ist zwar vermittelbar aber nicht erlernbar. Der Mensch bleibt frei zu wählen und sich zu entscheiden. Die Welt dreht sich weiter. Längst hat die nächste Phase des großen Schöpferplans begonnen. Die Erwählung eines Modelvolks, welches ein Leben mit Gott für die ganze Welt erproben durfte, wird nun durch das Angebot für Jedermann auf der gesamten Erde überhöht. Durch das Evangelium des Christus bleibt nur noch übrig, es mit einer klaren Entscheidung anzunehmen. Hören wir hier den überraschten Ausruf des Petrus in der Apostelgeschichte 10, 34-35: In Wahrheit werde ich inne, dass Gott nicht die Person ansieht, sondern  dass in jedem Volk, wer ihn fürchtet und Gerechtigkeit übt, ihm willkommen ist. Ja, so einfach ist das. Fast zu einfach, weil die Größe des göttlichen Angebots eben nur im Glauben erkannt werden kann. Müssen noch einmal Jahrtausende vergehen, bis jeder Mensch es hört und versteht? Das wissen wir nicht. Aber wann wir es hören, verstehen und ergreifen – das können wir wissen.

Jesus war sich über die Schwierigkeit durchaus im Klaren. Er sagte bei Johannes 3, 31-32: Wer von oben her kommt, der ist über allen; wer von der Erde her stammt, der stammt von der Erde her und redet von der Erde her; wer vom Himmel her kommt, der ist über allen. Was er gesehen und gehört hat, das bezeugt er, und sein Zeugnis nimmt niemand an. Er wusste also genau, dass er zur Zeit seines Daseins auf der Erde den großen Pilgerzug aus allen Völkern noch nicht sehen würde. Er wusste aber auch, dass er ihn begonnen hatte. Und heute?  Sind nicht in den letzten 2000 Jahren große Dome und kleine Kirchlein an allen Orten gewachsen wie Pilze aus der Erde? Und ist der Hunger nach Gott nicht lebendig in allen Ländern der Erde?

Wir hören noch das Gelächter der Umherstehenden bei Noah, als er das Schiff auf dem Trockenen baute, weil er nach seiner Aussage Gottes Stimme gehört hatte. Wir sahen ein störrisches Volk in der Wüste, das trotz aller Wunder ständig murrte, den Mut verlor, und lieber in die Sklaverei zurück wollte. Wir kennen die traurigen Schicksale der Propheten und Gläubigen, bis hin zur Kreuzigung des von Gott gesandten Christus. Nichts konnte den Plan Gottes aufhalten. Die Pilger sind unterwegs. Und wir dürfen dabei sein.

Überlegen wir also – wann hat bei uns der erste Funke gezündet? Was hat uns auf den Weg gebracht? War es eine Donnerpredigt, eine Lebenskrise, oder auch nur der Anblick einer blühenden Wiese? Da hat jeder seine eigene, wunderbare Geschichte. Sie ist spannender als jeder Roman. Und sie ist ein Baustein der von Gott geplanten künftigen Welt. Lesen wir zum Abschluss Johannes 1, 11-12: Er kam in das Seine, und die Seinen nahmen ihn nicht auf. So viele ihn aber aufnahmen, denen gab er Anrecht darauf, Gottes Kinder zu  w e r d e n  .


zurück zu "Der innere Weg"