von Edith Krispien

Der Felsen und die Braut

Ein Erlebnis auf einer einsamen Insel

Hier geht es um zwei symbolische Begriffe in der Bibel, die sich direkt auf die bewußten Nachfolger Christi, also auf den Christuskörper beziehen. Das sind die Menschen, die sich aus freier Erkenntnis und konsequenter Entscheidung für diesen Weg entschieden haben. Sie werden gesammelt - durch Jahrtausende hindurch, bis sie gemeinsam den Millionen-Seelen-Körper bilden, der in der Offenbarung im siebenten Kapitel als eine Schar aus allen Stämmen, Sprachen und Nationen, die niemand zählen kann, beschrieben wird. Schon diese Aufzählung ist interessant, weil sie wirklich keine Gruppe ausschließt. Diese Menschen sind erlöste, gereinigte und vollendete Seelen, wenn sie auf dieser Stufe angekommen sind. Sie sollen mit dem Christus als Haupt über kommende Weltzeitalter und Menschenketten regieren, gerecht und liebevoll. Sie werden die Braut Christi genannt. Die himmlische Hochzeit symbolisiert eine geistige Vereinigung mit Christus zu einem Körper. Ein Haupt und viele Glieder.

Bevor es jedoch zu diesem himmlischen Abschlußfest in der Bibel kommen kann, mit dem zugleich ein neues Weltzeitalter beginnt, müssen Jahrhundert für Jahrhundert die Menschen auf der Erde erst einmal das große Angebot erhalten und verstehen. Missionare und Kirchen haben diese Aufgabe übernommen, mit einem sichtbaren äußeren Erfolg. Aber wie viele Menschen sich im Innern ihres Herzens frei für Christus entschieden haben, das weiß nur Gott allein. Mit Mitgliedsbüchern und kirchlichen Eintragungen ist das nicht zu messen und zu vergleichen. Wenn man einen Menschen zusammen mit einer Bibel auf einer einsamen Insel aussetzt, kann er sehr wohl ein Mitglied des Christuskörpers werden. Vorausgesetzt er liest und versteht. Niemand würde es je erfahren, doch bei dem himmlischen Fest wäre er dabei.

Bleiben wir mal bei unserem Menschen auf der einsamen Insel. Wir verfolgen aufmerksam, wie er zuerst die Schöpfungsgeschichte liest und darauf hin die Natur um sich herum als ein Werk Gottes betrachtet. Weiter liest er, wie die Menschen von Gott zu einer direkten Beziehung mit ihren Schöpfer erzogen werden. Zunächst nur einzelne, dann ganze Völker. Er verfolgt auch die tragischen Rückfälle der Menschen in Ignoranz bis hin zur Gottesfeindschaft, er liest, wie sie immer wieder neu umworben, gereinigt und aufgebaut werden. Er liest von der Trauer und Verzweiflung Gottes in dieser einseitigen Liebesgeschichte zwischen dem Weltenschöpfer und seinen höchsten Geschöpfen, die er zu seinen Kindern machen möchte. Wir erinnern uns hierzu an den wichtigen Satz im Anfang des Johannes-Evangelium: So viele Ihn aber aufnahmen, denen gab er ein Anrecht darauf, Gottes Kinder zu werden.

Unser Mensch auf der einsamen Insel hat ja viel Zeit. Die Bibel ist seine Verbindung zu Gott und den Menschen. Seine Freude und seine Unterhaltung. Er liest deshalb der Reihe nach, langsam und gründlich. Dabei fällt ihm auf, daß alle Propheten die Geburt eines Himmelssohnes voraussagen, der als Mensch geboren wird. Als Mutter wählt er sich für diese Inkarnation die gläubige Tochter eines Volkes, welches schon seit zweitausend Jahren von Gott erzogen wurde. Sie war wirklich dazu bereit.

Ich bin die Magd des Herrn, mir geschehe wie er wolle. Dies ist die klare und kompromißlose Bereitschaft einer Braut. Ihre wunderbare Haltung wird in Zukunft von jedem Gläubigen gefordert, der sich mit Christus zu einem Symbolkörper vereinigen will. Man könnte auch sagen, zu einem geistigen Kraftfeld, in dem alle Glieder untereinander eins sind.

Der einsame Bibelleser wurde durch die Propheten des alten Bundes in eine Erwartungshaltung versetzt. Ganz nebenbei erhält er so das ethische Gesetz der zehn Gebote, das seiner eigenen Vorbereitung zugute kommt. Er lernt auch den großen Meister Elia kennen, und seinen noch größeren Schüler Elisa. Dieser Elia muß wiederkommen - ein klares Versprechen für eine Reinkarnation, mit der das alte Testament abschließt - und er soll zur Buße aufrufen. Bevor Jesus die größte Predigt aller Zeiten auf dem Berg halten kann, müssen die Seelen  der Menschen gereinigt werden. Sonst können sie ihn gar nicht verstehen. Elia kommt: Er ist Johannes der Täufer, der am Jordan die Menschen zur Buße aufruft und auf den kommenden Messias verweist. Wir lesen hierzu die klare Bestätigung in

Matthäus 11, Vers 13:

Denn alle Propheten und das Gesetz haben auf Johannes hin geweissagt, und wenn Ihr es annehmen wollt: Er ist Elia, der kommen soll.  Wer Ohren hat, der höre.

Die Israelis warten heute noch auf den Elia. Sie haben ihn damals nicht im Johannes erkannt, und deshalb erkannten sie auch nicht den Christus. Sie erwarten das Reich Gottes auf Erden und Frieden unter allen Völkern mit seiner Geburt. Aber ohne die Jahrtausende der Zwischenzeit, in der Menschen aus allen Völkern gesammelt werden können, also auch wir, wäre das eine sehr einseitige Angelegenheit für ein einziges Volk. Und es wäre auch ein sehr einseitiger Gott, dessen Größe die Vorstellung jedes Menschen übersteigt. Hier geht es um einen Erlösungsplan für die ganze Schöpfung. Paulus nimmt Bezug darauf im Römerbrief, Kapitel acht, ab Vers 19. Vers 22 heißt es: Denn wir wissen, das alles Geschaffene insgesamt seufzt und sich schmerzlich ängstigt bis jetzt. Das schließt auch niedere Lebensformen mit ein.

Zurück auf die einsame Insel. Der ausgesetzte Abenteurer gelangt nun zu den Evangelien. Er liest mit Staunen, wie sich die Vorhersagen der Propheten über viele Jahrhunderte hinweg erfüllten. Er lernt Jesus kennen. Sieht seine Taten, und hört die Bergpredigt. Er erlebt, wie sich auch die dunkelste Prophezeiung erfüllt in der Kreuzigung des so lange Erwarteten. Er sitzt fassungslos über seiner Bibel und kann zum erstenmal etwas nicht glauben, nämlich die Bosheit und Blindheit der Menschen. Obwohl er von Menschen getrennt lebt, durchläuft er hier durch seine Lektüre alle Emotionen, zu denen ein Mensch fähig ist. Glück und Trauer, Hoffnung und Verzweiflung, Staunen und Ratlosigkeit. Und dann etwas ganz Neues: Glauben. Und schließlich Gewißheit: Er war es wirklich, der so lange verheißene Erlöser. Dieser Jesus ist Christus.

Etwas Außerordentliches ist mit unserem Inselmenschen geschehen. Er weiß es noch gar nicht. Er wird durch sein Tagewerk gefordert. Er muß seine Hütte reparieren und fischen gehen, damit er etwas zu essen hat. Er ist zu einer Erkenntnis gekommen - allmählich oder plötzlich, die man nur eine Erleuchtung nennen kann. Wenn er nun nach seiner Arbeit weiter liest, sind seine Augen so offen wie noch nie. Es geht jetzt rasend schnell  und sein Verständnis wächst sprunghaft an. Was die Apostel erleben und erleiden, versteht er bereits, als wäre er einer von ihren. Was er auch tatsächlich ist in einem größeren Zusammenhang. Der Geist leitet ihn jetzt unmittelbar, er beginnt während seiner Tagesarbeit mit Gott zu reden und ist nun aus eigener Entscheidung ein Nachfolger Christi, ein Mitglied des Christuskörpers. Er wird bei dem himmlischen Fest der Erlösten dabei sein, ganz ohne Kirche und ohne Missionar, durch ein Wunder in seinem Herzen. Irgendwo auf einer einsamen Insel.

Machen wir uns klar, daß die einsame Insel für einen Menschen auch mitten in einer Großstadt liegen kann, unromantisch und ganz ohne Palmen und Kokosnüsse. Das innere Geschehen ist entscheidend. Keine Institution und kein äußerer Anlaß, keine Zeremonie und kein Mitgliedsbuch können das ersetzen. Eine Erkenntnis kann nicht eingebläut werden. Sie ist entweder wahr oder nicht wahr. Wer Jesus als den Christus erkennt, der steht auf einem Felsen und er ist ein Felsen.

Damit kommen wir zu dem bemerkenswerten Kapitel Matthäus 16, 16. (insgesamt Vers 13-20). Jesus fragt seine Jünger, für wen die Leute ihn halten. Die Antworten zeigen ein deutliches Wissen um die Möglichkeiten einer Reinkarnation. Sie nennen verschiedene Propheten, darunter auch den Elia. Dann fragt Jesus seine Jünger, was sie nun selber  glauben. Petrus antwortet, mit voller Gewißheit: Du bist der Christus. Darauf erklärt ihm Jesus, daß er dies nicht durch Menschen erlernt, sondern von Gott als Offenbarung empfangen hat. Und gleich darauf sagt er zu ihm: Auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen. Wer das nun ganz wörtlich nimmt, der wird auf dem Grab des Petrus einen Dom errichten, was ja auch tatsächlich geschehen ist. Wer ein bißchen weiter denkt, versteht darunter die Institution  Kirche, die durch Petrus gebaut werden sollte. Da sollte man nun aber noch einmal von vorn lesen. Deutlich sagt Jesus, daß Menschenlehre die Christuserkenntnis nicht vermittelt hat, sondern der Geist Gottes. Und was die Gründung der Gemeinden betrifft, die später erfolgte, so waren daran viele Apostel beteiligt und nicht Petrus allein. Es ist also viel einfacher und größer zugleich: Der Felsen ist die Christuserkenntnis, ein Untergrund, auf dem unser einsamer Inselbewohner nun ebenfalls steht.

Wir lassen ihn nun aber noch weiter lesen, denn jetzt hat er ja erst den richtigen Zugang zu dem kosmischen Gottesplan. Von nun an wird er viel öfter in den Apostelbriefen lesen, und für den Ausdruck des Glaubens seiner Seele benötigt er mehr und mehr die Psalmen Davids. Die Offenbarung des Auferstandenen hingegen wird künftig sein Festmal sein. Auserlesenes für besondere Stunden. Der Geist wird sie ihm erschließen und entschlüsseln, Stück für Stück, und sein Staunen wird ohne Grenzen sein. In den Nächten werden Engel seinen Weg durch Träume unterstützen. Die Natur rings um ihn herum wird für ihn zu einem aufgeschlagenen Lehrbuch Gottes. Er wird nie mehr allein sein. Eine solche Fülle wird in ihn einströmen, daß er es kaum fassen kann. Alles, was rings um ihn herum lebt, wird davon profitieren, auch Pflanzen und Tiere. Sie müssen den Römerbrief nicht erst lesen um zu erkennen, daß einer mit ihnen lebt, nach dem sie sich lange gesehnt haben. Hierzu lesen wir

Römer 8, Vers 19:

Denn die Sehnsucht des Geschaffenen wartet auf das Offenbarwerden der Herrlichkeit der Söhne Gottes.

Und für unseren Inselbewohner

Römer 1, 17:

Der aus dem Glauben Gerechte wird leben.

Er ist nun ein Teil des Christuskörpers, was er zutiefst im Herzen  weiß und was er deshalb spätestens nach seinem Tode mit Gewißheit erfahren wird. Er gehört damit zu der Schar, die niemand zählen kann, im siebenten Kapitel der Offenbarung, Vers 9.

Diese Schar ist nun die Braut. Sie ist gut vorbereitet auf die höchste Integration mit dem geistigen Kraftfeld, welches wir auch den Christos nennen können. Jede einzelne Seele ist dabei ein unaustauschbares Glied des Gesamtkörpers. Auf dem geistigen Weg geht die Individualität nicht verloren, sondern sie wird erst richtig entwickelt. Mit dem Symbolbild einer Braut wird zugleich die schönste und freudigste Erwartung auf die höchste Vollendung dargestellt. Und jede einzelne Seele wird auf dramatische Leben zurückschauen, auf zum Teil schmerzvolle Reifeprozesse, aber auch auf die zunehmende Freude, die aus dem geistigen Leben sicher erwächst.

Die Bibel endet mit der Offenbarung Christi an Johannes auf der Insel Patmos, die wir noch lange nicht voll entschlüsselt haben. Künftige Generationen werden da vor neuen Herausforderungen stehen. Den krönenden Abschluß bildet das Kapitel 21 mit dem Himmlischen Fest. Lesen wir im letzten Absatz den Vers 17, der wohl einer der schönsten und zugleich seltsamsten Verse in der ganzen Bibel ist: Und der Geist und die Braut sagen: komm! Und wer es hört, der sage: Komm! Und wer dürstet, der komme: wer will, der nehme das Wasser des Lebens umsonst! Diesen Vers kann man nun wirklich schneller lesen als entschlüsseln. Versuchen wir aber, ein wenig davon zu erhaschen. Zunächst der Einlader zu dem Himmlischen Fest: Der Geist. Also Gott.  Und Christus. Und alle, die mit ihm in einen Riesenkörper des gemeinsamen Geistes integriert sind. Also die Braut.

Jetzt kommen wir zu den Eingeladenen, also zu uns. Nicht jeden erreicht diese Stimme. So mancher wünschte sich schon eine Einladung von einem irdischen König an seine festliche Tafel. So etwas erfüllt Menschen mit Stolz und sie nehmen es sehr wichtig. Es könnte der Höhepunkt ihres Lebens sein, auch heute noch in unserem aufgeklärten Zeitalter. Aber hier geht es um die höchste Majestät, um den Schöpfer und König des Universums, seine Himmelsfürsten, seine Engel und seine neu gewonnenen Kinder aus der Menschenkette. Niemand, der den Wert einer solchen Einladung erkennt, wird sie ablehnen. Aber damit hapert es eben. Mit dem Felsen der Erkenntnis aus dem Glauben.

Jetzt spricht die Braut. Sie schließt sich dem großen Einlader an und sagt ganz einfach:

Komm. Kürzer kann man es kaum sagen. Und nun passiert das Außergewöhnliche: Wer sich eingeladen fühlt, der geht nicht einfach hin, sondern er wird im gleichen Augenblick zum Einlader, wendet sich anderen zu und spricht selbst die Einladung aus: Und wer es hört, der sage: Komm!

Dies ist ganz eindeutig die Haltung eines erleuchteten Menschen, der so geläutert ist, daß er vor lauter Glück und Freude nicht jene vergißt, die noch draußen stehen. Solange das Sammelzeitalter nicht abgeschlossen ist, kann man immer noch andere herzurufen. Niemand ist fertig, der sich nicht wünscht, daß alle fertig sein sollen. Auch in dieser wunderschönen Schlußfeier wird die Einladung selbst zur letzten Prüfung.

Wer selbst zum Felsen des Glaubens wurde, wurde auch Braut, was hier keine geschlechtliche Bedeutung hat, sondern eine symbolische, die sowohl Männer wie auch Frauen betrifft. Wir sind alle Empfangende. Unser hoher Priester vor Gott ist Christus. Er bürgte für uns. Er hat die Verantwortung für unsere Erziehung und Läuterung übernommen. Wir sind bei ihm in den allerbesten Händen. Er bringt jede Seele, die sich ihm anvertraut, sicher zu Gott.

Es gibt keine vergleichbare Schrift, die dieses äonische Erlösungsprogramm Gottes mit dieser Menschheit klarer und lückenloser darstellt als die Bibel. Der Mensch auf unserer einsamen Insel ist zu beneiden. Sein Leben ist nicht verschwendet. Er hat alles gefunden, was weit über dieses Leben hinausweist. Die große Einladung hat er gehört. Freuen wir uns mit ihm und über ihn. Denn er ist unser Bruder geworden und wird es in Ewigkeit bleiben.

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